Nach knapp einem Jahr des Reisens geht es für sechs Wochen wieder retour nach Österreich. In unserem Gepäck haben Sanna und ich nicht nur ein paar karibische Mitbringsel, sondern vor allem viele Erlebnisse und Erfahrungen. Wir freuen uns auf zu Hause, unsere Familie, die Freunde, vertraute Orte und Köstlichkeiten. Trotzdem ist die Heimreise eine spannende Zeit. Durch unsere Erlebnisse sehen wir vieles in einem anderen Licht, betrachten so manches mit etwas mehr Distanz. Wie stark hat uns die Reise verändert? Wie gehen wir nun mit den Herausforderungen des engen Zusammenlebens in einer Kleinstadt um? Viele Fragen treten auf und geben Anlass zum Nachdenken über die innere Reise im letzten Jahr. Bereits Sokrates fragte: „Was wunderst du dich, dass deine Reisen dir nichts nützen, da du dich selbst mit herumschleppst?“ Daher gilt es für uns nicht nur fremde Länder zu erkunden, sondern uns auch den persönlichen Herausforderungen zu stellen.
Sich selbst nimmt man immer mit, egal wohin man geht. Daher sind auch die eigenen Themen, Konflikte und Herausforderungen überall auf der Welt sehr ähnlich. Dies war uns schon vor Beginn unseres Segelabenteuers bewusst. Daher haben wir unser Augenmerk darauf gelegt, unsere Lebensknoten eher zu lockern als noch mehr fest zu zurren. Nach dem Selfness-Prinzip, jeden Tag bewusst zu leben, seine Potenziale zu nutzen und die persönlichen Grenzen zu achten, sind wir nicht nur durch die Welt gesegelt, sondern uns selbst ein Stückchen näher gekommen. Ich bin z.B. ein Mensch, der mehr auf die Bedürfnisse der anderen achtet und stets bestrebt ist, dass es meinem Umfeld (sehr) gut geht. Der Vorteil der Reise ist es, dass mich von unseren neuen Bekanntschaften niemand kennt. Keiner stellt also Erwartungen an mich, und so ich bin frei, neue Verhaltensweisen auszuprobieren. Schritt für Schritt habe ich ausgetestet, wie viel ich geben möchte, wo meine Verantwortlichkeiten und Grenzen liegen. Durch Beobachten und Ausprobieren habe ich herausgefunden, wie ich diese ziehen kann, sodass es mir gut geht. Als Lehrerin, Köchin, Proviantiererin, Skipperin, Mutter, Ehefrau und Freundin, habe ich gelernt, mir rechtzeitig eine kleine Auszeit zu nehmen und dabei das ungewaschene Geschirr, das schon beachtliche Ausmaße in der Spüle angenommen hat, zu ignorieren.
Unsere Sicht ist viel klarer geworden. Wir sehen, wo es echtes Interesse und eine Beziehung auf Augenhöhe gibt. Wir müssen uns auch nicht mehr so stark abgrenzen von außen, weil wir gelernt haben, noch mehr auf unser Gespür zu achten und uns zu fragen: Was möchten wir gerne tun? Mit wem möchten wir gerne unsere Zeit verbringen? Wer sollen unsere Geschäftspartner sein?
Sailness-Tipp
Der Vorteil einer inneren Reise ist, dass wir sie jederzeit antreten können. Stell dir vor, du bist selbst unterwegs, niemand kennt dich, und du kannst ganz du selbst sein, wie du es immer schon wolltest.
– Wie würdest du dich verhalten, wenn du ganz frei handeln könntest?
– Was würdest du als erstes abstellen?
– Wer tut dir gut? Mit wem möchtest du mehr Zeit verbringen?
– Was wolltest du immer schon mal machen?
Der kürzeste Weg zu sich selbst führt um die Welt herum. (Hermann Keysering)